Kinder nutzen Soziale Medien anders als wir Erwachsene. Trotz überwiegend harmlosen Contents gibt es dabei Risiken, die Kinder nicht überblicken können – und die Eltern kennen sollten! Wie Kinder sich in Social-Media-Diensten bewegen und wie Eltern Risiken vorbeugen und ihre Kinder bei der sicheren Nutzung unterstützen können, erfahren Sie hier.
Kinder orientieren sich in ihrer Mediennutzung meist an Vorbildern wie Eltern, älteren Geschwistern oder Freunden. So sind auch Soziale Medien inzwischen Teil der kindlichen Lebenswelt. Und im Sinne der Kinderrechte ist die aktive Teilhabe an der digitalen Welt auch gutes Recht des Kindes: Auch Jüngere sollten von den Möglichkeiten des Internets zur Selbstentfaltung und zum kreativen Schaffen profitieren können. Gleichzeitig sind Kinder dabei aufgrund ihrer Unerfahrenheit besonders schutzbedürftig.
Reichweitenstarke und bekannte Plattformen wie YouTube, Instagram und TikTok richten sich demgegenüber an eine erwachsene und jugendliche Zielgruppe. Fast alle Anbieter Sozialer Medien legen in ihren AGB ein Mindestalter von 13 Jahren oder gar älter fest – Jüngeren ist die Nutzung somit nur erlaubt, wenn ihre Accounts von Erziehungsberechtigten geführt werden. Dennoch können sich Kinder dort einfach anmelden, denn effektive Alterskontrollen gibt es nicht. Und für Kinder sichere und gleichzeitig ausreichend attraktive Alternativen fehlen leider schlichtweg.
jugendschutz.net hat gezielt öffentlich zugängliche Profile deutschsprachiger Kinder unter 13 Jahren ausgewertet, die auf eigene Faust und mutmaßlich jenseits elterlicher Kontrolle auf auf YouTube, Instagram und TikTok Inhalte veröffentlichen. Sogenannte „Kidfluencer“, die mithilfe ihrer Eltern oft professionalisiert und sehr viel reichweitenstärker in Social Media unterwegs sind, wurden nicht mit einbezogen.
Statt dienstspezifische Strategien zur Reichweitensteigerung zu nutzen, etwa die Verwendung von Hashtags, folgen Kinder sich auf den Plattformen häufig gegenseitig und vernetzen sich über Freundeslisten. Obwohl auch hier Likes und Follower als Maßstab der Beliebtheit gelten, haben ihre Videos und Kanäle bis auf Einzelfälle nur geringe Klick- und Abonnenten-Zahlen.
Kinder übernehmen in ihren Beiträgen häufig Verhaltensmuster und Themen älterer Vorbilder, beispielsweise typische Begrüßungsfloskeln, Selfies, Lebenswelt-Darstellungen, Auftritte mit Freunden, Geschwistern und Haustieren. Dabei werden geschlechterspezifische Unterschiede deutlich: Herrschen bei Mädchen häufig Themen wie Lifestyle, Mode und Reisen vor, funktioniert die Selbstdarstellung bei Jungs weniger über ihr Erscheinungsbild als über gezeigte Ausübung ihrer Hobbys, bei Sport oder Videospielen.
Trotz der weitgehenden Harmlosigkeit der meisten Inhalte ist es problematisch, dass Kinder mutmaßlich ohne elterliche Kontrolle und ohne besonderes Augenmerk der Anbieter in diesen Diensten unterwegs sind. Kinder können aufgrund ihrer Unerfahrenheit selbst kaum die Konsequenzen einer Veröffentlichung ermessen, beschäftigen sich selten etwa mit für sie oftmals unverständlichen Privatsphäre-Einstellungen und übernehmen meist einfach die unsicheren, da auf öffentlich gesetzten Voreinstellungen. So teilen sie ihre Inhalte mit der ganzen Welt, ähnlich ihrer Influencer-Vorbilder. Beliebte Formate wie „Roomtouren“ oder „Morgen- und Abendroutinen“ auf Youtube geben intime Einblicke in das Leben der jeweiligen Erstellenden, machen private Rückzugsräume wie Kinderzimmer und Bad öffentlich (gar etwa durch ein Video über einen Toilettengang).
Neben unbedarftem „Drauflosfilmen“ ohne anschließende eingehende Prüfung können auch unbedachte Äußerungen oder ungewollt ins Kamera-Sichtfeld geratene Dinge zu viel Privates preisgeben und machen Kinder teils leicht identifizierbar (etwa durch ein abgefilmtes Schulzeugnis mitsamt persönlicher Daten wie Adresse etc.). Solchermaßen veröffentlichte sensible Daten können missbräuchlich verwendet werden – schlimmstenfalls von Menschen mit sexuellem Interesse an Kindern, die das Kind somit offline ausfindig machen können.
Die unbedacht veröffentlichten und kaum vor- oder nachbereiteten Inhalte der Kinder gehen häufig mit schlechter technischer Qualität einher: Drehpannen, Versprecher, verwackelte Bilder und Unverständliches stehen in Konkurrenz zum oftmals hochgradig professionellen Influencer-Content. Entsprechen ihre Fotos und Videos nicht dem gewohnten Standard, werden Kinder in dieser wenig fehlertoleranten Umgebung unter Umständen zur Zielscheibe für Spott, Mobbing oder gar Hassbeiträge. Meist verfügen sie noch nicht über Abwehr- und Schutzmechanismen, um negatives Feedback zu verarbeiten.
Bislang befassen sich die großen Social-Media-Dienste nicht ausreichend mit der Fürsorge für ihre kindlichen Nutzer. Solange sie jedoch keine wirksamen Alterskontrollen durchführen und sichere und attraktive Alternativen zu Erwachsenangeboten fehlen, stehen Erziehende und pädagogische Fachpraxis vor einer Herausforderung. Ein generelles Verteufeln und entsprechende Verbote würden bedeuten, den hohen Stellenwert, den die Dienste in der kindlichen Lebenswelt einnehmen, zu verkennen und den Kindern ihr Recht auf Teilhabe an der digitalen Welt abzusprechen. Ein Sich-Ausprobieren, das Nachahmen von Idolen, die Suche nach Feedback sind Strategien zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben. Aber auch die Risiken, die eine aktive Nutzung der Dienste mit sich bringt, dürfen nicht unterschätzt werden. Ein möglichst unaufgeregter, aber informierter Umgang mit den Diensten ist geboten, um Kinder begleiten und vor Gefahren schützen zu können. Hierfür ist es ratsam, sich mit den Diensten zu beschäftigen und mit Kindern darüber das Gespräch zu suchen.